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Learnings aus dem Unfallatlas-Workshop

Der Unfallatlas ist eines der aufwendigsten Daten-Tools, die vom Statistischen Bundesamt zur Verfügung gestellt werden. In einer Kartendarstellung sowie als Rohdaten sind darin Verkehrsunfälle mit Personenschaden enthalten – mittlerweile liegen Daten für alle Bundesländer bis auf Mecklenburg-Vorpommern vor. Das Angebot wird breit genutzt, sowohl von JournalistInnen als auch von Unfallforschern oder Organisationen wie dem ADFC.

In einem Workshop haben die ExpertInnen aus dem Destatis erklärt, wie die Unfallatlas-Daten erzeugt und verarbeitet werden. Ein Beispiel aus der Praxis gab es auch – neben vielen konkreten Fragen und Tipps. Hier der Mitschrieb vom Online-Workshop am 28. September:

Beispiel aus der Praxis: Werkstattbericht Anna Behrend (Redakteurin Storytelling und Datenjournalismus NOZ Medien)

Anna hat für die aus der Zentralredaktion bedienten Titel jeweils eigene Analysen aus den Unfallatlas-Daten gebaut (Beispiel: https://www.noz.de/deutschland-welt/wissenswertes/artikel/2113406/unfallatlas-wo-es-in-und-um-osnabrueck-am-haeufigsten-kracht, liegt aber hinter der Paywall).

Gezeigt werden Karten (mit Carto) sowie Schaubilder z.B. zur Beteiligung bestimmter Verkehrsteilnehmer, hinter denen Skripts für einzelne Städte liegen. Die Ergebnisse wurden auch an Lokalredaktionen zur weiteren Verwendung verschickt. Die Einfärbung besonders stark betroffener Straßenabschnitte erfolgte händisch.

Die Analysen sind bebildert mit Videos der Unfallforschung der Versicherer (https://udv.de/de)

Mirjam Bick (Destatis) zu den Daten im Unfallatlas

Die Erhebung der im Unfallatlas enthaltenen Daten basiert auf dem Straßenverkehrsunfallstatistikgesetz (StVUnfStatG, siehe https://www.gesetze-im-internet.de/stvunfstatg_1990/BJNR010780990.html).  Das Gesetz ist hinreichend offen formuliert, um z.B. neue Gefährte wie Elektroroller zu erfassen. In der Arbeitsgemeinschaft Verkehrspolizeiliche Angelegenheiten (AG VPA) werden zweimal im Jahr Detailfragen geklärt, etwa diese: Unter welcher Kategorie werden Laufräder erfasst? (Antwort: Fußgänger, weil Kinder auf Laufrädern als Fußgänger gelten). Daraus resultieren Ausführungsbestimmungen, anhand derer Polizisten die Statistik befüllen.

Zwei Limitierungen beschränken die Daten, die im Unfallatlas präsentiert werden dürfen:

  • Es ist allgemeine Konvention, dass die Polizei keinen zusätzlichen Aufwand für die Erfassung von Statistik haben soll. Das Destatis kann also z.B. nicht detaillierte Geokoordinaten für jeden einzelnen Unfall anfordern, sondern muss den Dialog mit der Polizei suchen. Die Zusammenarbeit laufe aber sehr gut.
  • Geheimhaltung bzw. Datenschutz: Der Unfallatlas unterliegt dem Bundesstatistikgesetz. Veröffentlicht werden dürfen nur Angaben, die einzelnen Betroffenen nicht zuzuordnen sind. Unfallorte beispielsweise dürfen dargestellt werden. Als Faustregel gilt: Es werden nur Unfallmerkmale aber nicht Merkmale von Unfall- oder Verkehrsbeteiligten veröffentlicht.

Beispiele:

Was gezeigt wird: ob (mindestens) ein Radfahrer, Autofahrer, Fußgänger … beteiligt war.
Was nicht gezeigt wird: wie viele beteiligt sind oder welcher der Beteiligten sich wie schwer verletzt hat.
Hinweis aus der Runde: Nachfragen beim örtlichen Polizeipräsidium kann sich lohnen.

Ausführliche Informationen zu den Begriffen der Verkehrsunfallstatistik gibt es in dieser Handreichung des Destatis: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Verkehrsunfaelle/Methoden/verkehrsunfaelle-grundbegriffe.pdf?__blob=publicationFile

Wichtiger Hinweis: Unfallart vs. Unfalltyp. Damit versuchen Stadt- und Verkehrsplaner Gefahrenstellen zu identifizieren. Die Differenzierung der beiden Kategorien ist jedoch komplex. (Frau Bick sucht nach einer Handreichung, Präsentation … in der die Methoden dazu beschrieben werden.)

Anregung aus der Runde:

  • Merkmal „außerorts – innerorts“ in die Rohdaten aufnehmen, das ermöglicht wesentlich bessere Auswertungen
  • Straßenklassen in den Unfallatlas aufnehmen (Autobahn, Bundes-, Landes-, Gemeindestraßen…)
  • Unfälle unter Beteiligung von Bahnen oder Straßenbahnen als eigene Kategorie bei den Verkehrsbeteiligten aufnehmen

Arndt von Eschwege (Destatis) zu Datenaufbereitung

Rohdaten müssen auf der Karte platziert werden, die Koordinaten liegen aber nicht von sich aus exakt auf bestimmten Straßen. Hierfür wird in einem recht komplizierten Verfahren plausibilisiert (lineare Referenzierung). Dabei wird die Ortsangabe der Polizei mit dem Basis-DLM des Bundesamts für Kartographie und Geodäsie abgeglichen. Der Unfall darf z.B. nicht mehr als 25 Meter von der Straßengeometrie im Basis-DLM verortet sein. Das heißt auch, dass nicht jeder Unfall auf der Karte verortet werden kann.

Nicht jeder Unfall mit Personenschaden ist daher auch im Unfallatlas enthalten. Das Destatis schreibt in den FAQ: „Die Quoten für eine erfolgreiche Zuordnung einer Unfallkoordinate zu einem Straßenabschnitt liegen in den einzelnen Bundesländern in der Regel bei deutlich über 90%. In einzelnen Gemeinden können die Quoten jedoch deutlich abweichen. Vereinzelt kann hierdurch die Darstellung lokaler Unfallhäufungen unterbleiben.“

Für die Einfärbung von Straßenabschnitten in der Kartenanwendung gibt es die lineare Referenzierung und die dynamische Segmentierung (https://desktop.arcgis.com/de/arcmap/10.3/guide-books/linear-referencing/what-is-linear-referencing.htm). Problem: JournalistInnen können das nur mit großen Problemen nachbauen. Sie benötigen dafür die Straßengeometrien. Die liegen bei der Vermessungsverwaltung, die sie aber verkauft. Destatis darf die Daten nicht abgeben, sondern arbeitet z.B. auch bei der Veröffentlichung im Unfallatlas selbst mit (vorab prozessierten) Bilddateien.

Hinweis: manche Bundesländer stellen das BasisDLM als Open Data zur Verfügung, z.B. NRW.

Wichtig: Gemeindestraßen werden erst angezeigt, wenn man nahe heranzoomt.

Anregungen aus der Runde:

  • Nicht verortbare Unfälle als Rohdaten veröffentlichen
  • Straßenklasse und Straßenbezeichnung ebenfalls als Rohdaten veröffentlichen. Für innerörtliche Straßen gibt es Beispielsweise den Straßenschlüssel STS
  • Einfärbung von Straßenabschnitten deutlicher machen, insbesondere wenn man nah heranzoomt

Link- und Tooltipps von Holger Bruch für die Verortung von Unfalldaten auf Karten:

  • Sharedstreets.io
  • Open LR
  • Vectortiles
  • Maps4DE

Wer Rückfragen zum Unfallatlas hat, sollte das Destatis-Kontaktformular benutzen.

Veröffentlicht in Open Data Projekte